Die Liberalisierung von Straßen und Autobahnen hat entscheidend zur neoliberalen Struktur der Europäischen Union beigetragen, indem sie die Bewegung von Waren und Gütern beschleunigt und damit einen direkten Wettbewerb zwischen heimischen und ausländischen Landwirten ermöglicht. Das stellen Samuel Legris, ein promovierender Soziologe, und Thibaut Lhonneur, ein Expertenmitglied der Jean Jaurès Stiftung, fest.
In ihrer Analyse der Agrarkrise verdeutlichen die Autoren, weshalb die Entscheidung, Straßen zu blockieren, kein Zufall ist. Der freie Handel über den Straßenverkehr hat in vielen Wirtschaftszweigen zu einer Marginalisierung geführt, in denen die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen im Laufe der europäischen Integration schrittweise verschlechtert wurden. Beispielsweise begünstigten Straßen die Liberalisierung des Personentransports, was zum Aufstieg von Unternehmen wie Uber auf Kosten traditioneller Taxis führte. Zudem nutzten ausländische Transportunternehmen die Straßeninfrastruktur, um lokale Firmen zu verdrängen.
Landwirte greifen daher die Folgen dieser liberalisierten Straßen an, beispielsweise, indem sie Lastwagen aus europäischen Ländern stoppen, ihre Waren entladen und an gemeinnützige Organisationen wie die „Restos du Coeur“ spenden. Dies kann als Protest gegen den vollständigen Abbau von Zollschranken zwischen EU-Mitgliedsstaaten gesehen werden, meinen die Autoren.
Der Straßenblockade und der Absicht, den Zugang zu Metropolregionen – den Hauptknotenpunkten für den Warenaustausch – einzuschränken, liegt auch der Protest gegen eine übermäßig liberale Umgebung zugrunde, die viele Landwirte vernachlässigt hat.
Eine weitere Dimension dieses Protests betrifft die sogenannte „Arbeitskrise“. Tatsächlich lassen sich Gemeinsamkeiten mit der „gelben Westen“-Bewegung in Frankreich erkennen. Beide fordern eine angemessene Bezahlung für ihre Arbeit, bessere Perspektiven für zukünftige Generationen sowie eine gerechtere Globalisierung.
Die ungehinderte Zirkulation von Waren auf den Straßen verursacht unlauteren Wettbewerb für die Landwirte und verschärft die „Wertkrise“ in der Landwirtschaft. Hinzu kommt, dass die Einkommen aus der Landwirtschaft niedrig sind und der wirtschaftliche Erfolg der Betriebe stark von europäischen und staatlichen Hilfen und Subventionen abhängt. Daher konzentrieren sich die ärmsten Landwirte in den landwirtschaftlichen Regionen, die stärker von ausländischer Konkurrenz und Einzelhandelsdruck betroffen sind.
Die Agrarkrise beschränkt sich jedoch nicht nur auf Frankreich. Sie ist europaweit zu beobachten, wobei sich agrarische Protestbewegungen über den Kontinent hinweg ausbreiten. Dies ist ein Zeichen für das unzureichende Engagement Europas zur Wirtschaftsintegration dieser Sektoren.