„Brasiliens Aufstieg zur Weltmarktführerschaft im Zuckersektor“
Im November wurde die Frage erörtert, wie es Brasilien, ein großer Produzent von Zuckerrohr, zum Marktführer in der weltweiten Zuckerindustrie geschafft hat. Caroline Rayol, eine Strategieanalystin und ehemalige Außenpolitikberaterin für Präsident Lula, lieferte bei einer Konferenz zur Veröffentlichung des Buchs „Geopolitik des Zuckers“ erhellende Einsichten.
Zunächst einmal bietet Zuckerrohr selbst einen strategischen Vorteil: Es ist eine effiziente Pflanze, die weniger Zucker pro Hektar als Zuckerrüben erzeugt, aber eine große Menge Biomasse produziert. Dies macht alle brasilianischen Zucker- und Ethanol-Fabriken eigenständig durch Kogeneration aus Zuckerrohrabfällen und die Methanisierung der mit Phosphor angereicherten Trittbretter, die auch Düngemittel liefern. Darüber hinaus ist Zuckerrohr eine mehrjährige Pflanze, die alle sechs Jahre gepflanzt wird und damit die Produktionskosten senkt.
Ein weiterer Faktor für Brasiliens Führungsrolle ist eine sehr dynamische, innovative und strukturierte Industrie. Das im Jahr 1969 von der Industrie ins Leben gerufene Technologiezentrum für Zuckerrohr entwickelte über 4.000 Zuckerrohrsorten, die sich an Mikroklimata, Miniaturgebiete und diverse Böden anpassen können. Dies führt zu einer bemerkenswerten und stetig steigenden Produktivität. Zudem wird intensiv in Innovationen investiert, insbesondere im Bereich Logistik und Präzisionslandwirtschaft.
Der dritte für die Entwicklung der Branche entscheidende Faktor ist der politische Wille. Unabhängig von den jeweiligen Regierungen verstand der brasilianische Staat schon vor Jahren, wie wichtig der Zucker- und Ethanolsektor ist. Zuckerrohr ermöglicht die Herstellung von nachwachsenden Derivaten von Erdöl, verringert also die Abhängigkeit von importiertem Öl, hat positive Auswirkungen auf Brasilien Handelsbilanz und schafft zwei Millionen Arbeitsplätze. Daher investiert der Staat massiv in den Sektor, orientiert seine Diplomatie an der Erschließung neuer Märkte und setzt kohärente öffentliche Politiken um, die den Zuckerrohranbau fördern.
Was die Zukunftsprognosen betrifft, hat Brasilien bei der COP26 im Jahr 2021 sein Ziel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 43% auf 50% bis 2030 erhöht. Obwohl das Vorhaben sehr ambitioniert ist, hält Rayol es für möglich, indem 50 Milliarden Liter Ethanol pro Jahr produziert werden. Aktuell werden rund 30 Milliarden hergestellt, doch durch die Nutzung aller Zuckerrohrabfälle zur Ethanolherstellung könnten 45 Milliarden erreicht werden.
Zum Abschluss ihrer Ausführungen betonte Rayol, dass Zuckerrüben genauso wertvoll wie Zuckerrohr sind und forderte Frankreich auf, eine positivere Haltung gegenüber dem Anbau von Zuckerrüben einzunehmen.